2003 – FÄRÖER / SCHOTTLAND

Tagebuch der Schottland / Färöer Tour
Oder: Wie viel Glück kann ein einzelner Mensch eigentlich haben?
(Geschrieben von Patte & Lars)

Freitag, 06.06.2003
Mittags geht es dank eines Gutscheins für „einen der treusten Kunden“ mit dem Zug 1. Klasse von Halle nach Frankfurt. Um wegen meiner legeren Kleidung nicht aufzufallen, mache ich einen auf intellektuell und lese „Kicker“ und „Tagesspiegel“. In Frankfurt erwische ich in letzter Sekunde noch den Bus zum Flughafen Hahn. Dort werde ich Zeuge eines imposanten Besäufnisses, weil sechs Leute ihren Flieger verpasst haben – das geht ja schon gut los…

Bei mir klappt aber alles, so dass ich pünktlich um Mitternacht in London Stansted lande und dort in den Genuss einer Übernachtung auf dem Flugboden-Fußboden bekomme.

Der Rest der Reisegruppe macht sich gegen halb eins von Schüttorf aus auf den Weg nach Eindhoven, von wo unser Ryan Air Flug über London Stansted nach Glasgow Prestwick gehen soll. Um nach Eindhoven zu gelangen, haben wir uns den Bulli der Volleyballer ausgeliehen – ein riskantes Unterfangen, macht der Bulli doch lautere Geräusche als jeder Panzer. Dennoch gelingt es Heino Bergjan irgendwie, die komplette Fahrt über zu schlafen. Da er er auf dem Beifahrersitz sitzt und der Rest es sich hinten mit einer Kiste Bier gemütlich gemacht hat, verpassen wir natürlich gleich die erste Abfahrt und kommen so fast noch in zeitliche Schwierigkeiten. Am Ende geht aber doch alles gut sodass wir pünktlich unseren ersten von später insgesamt sechs Fliegern besteigen können. In London Stansted treffen wir dann auch auf die erste Abordnung einiger Gladbacher, unter anderem Caki, mit denen der Weiterflug nach Glasgow dann sehr lustig wird. In der Stadt der Rangers und Celtics angekommen, geht es dann ins Hotel, wo kurz die Zimmer ausgelost werden (ich habe natürlich Pech und komme mit zwei Dauerschnarchern auf ein Zimmer), ehe an der Hotelbar die ersten Pints getestet werden und versucht wird, der Unterhaltung einiger Bazis zu folgen – bei dem Dialekt unmöglich. Wirklich schlimmer als Schottisch. Gegen zwei Uhr begibt sich schließlich auch euer Vize-Präsi als letzter der Reisegruppe ins Bett.

 

Samstag, 07.06.2003
Morgens um 5 Uhr ist Aufstehen angesagt und Weiterflug nach Glasgow, wo ich um 8 Uhr lande. Da einige Busfahrer sich in Glasgow nicht auszukennen scheinen, erreiche ich mein Bed & Breakfast erst gegen 10 (und nachdem mich ein freundlicher Busfahrer umsonst mitgenommen hat) und bin erleichtert, dass es beim Einchecken keine Probleme gibt, während 4 andere deutsche Fußballfans wieder weggeschickt werden, weil deren Reservierung wohl einfach vergessen wurde. Tja, lieber die als ich!

Zurück in die Stadt muss ich wieder nichts zahlen, da der Fahrer nicht wechseln kann, ich ihn nicht verstehe und eine genervte Frau schließlich passend für mich bezahlt. Mittags treffe ich die anderen 5 unserer Reisegruppe Schüttorf (Jamaicalars, Heino, Hardy, Melone und Wiens) zur gemeinsamen Spielvorbereitung mit Schotten in einem Pub unweit des Bahnhofs. Die Kehlen werden geölt und das erste gemeinsame Liedgut angestimmt („Stand up, if you hate England“). Leider ist aber auch ziemlich viel Pack vertreten (z.B. einige Ostwestfalen), das meint, seine extrem deutschen Lieder singen zu müssen. Zum Spiel nachmittags brauche ich wohl nichts mehr schreiben, das habt ihr ja wohl alle gesehen: eine bravourös kämpfende schottische Elf, ein am Ende verdientes 1:1 und eine phantastische Gänsehaut-Atmosphäre im ganzen Stadion. Trotz guter Stimmung im deutschen Block werden wir in Grund und Boden gesungen. Nachher wird unweit des Stadions in einem Pub mit einigen Einheimischen noch das Spiel analysiert, über unseren Ex-Bundes-Berti gefachsimpelt und das eine oder andere Pint gestemmt. 

Zudem gibt es eine erste Kontaktaufnahme mit Tower, der uns aber auch nichts positives mitteilen kann. So haben wir weiter fünf Flüge für sechs Personen auf die Faröer und keine einzige Eintrittskarte für den Klassiker Färöer gegen Deutschland.

Zurück in der Innenstadt geht es in den nächsten Pub, wo wir mit Karaoke-Einlagen erfreut werden bzw. selber die anderen Gäste mehr oder weniger erfreuen. Neben einigen raketenvollen Schotten (und Schottinnen) läuft uns auch ARD-Reporter und Gladbach-Fan Claus Lufen über den Weg – und drängelt sich prompt auf eines unserer Fotos! Ich muss dann allerdings gegen Mitternacht leicht ermüdet die Segel streichen und die anderen alleine lassen. 

Der Rest der Reisegruppe streift noch ein wenig durch die City, zieht es dann aber auch vor, ins Hotel zurückzufahren. Kurz werden noch einige Pints verhaftet, ehe ein wenig Augenpflege angesagt ist. Oh, beinahe hätte ich einen weiteren Fanclub-Skandal vergessen. Patte lässt sich von einer Schottin so lange schöne Augen machen, bis er ihr seinen Vechte Fohlen Schal gibt. Die Schottin verspricht zwar, einen Celtic-Schal nach Deutschland zu schicken, verschwindet dann aber mit ihrem Freund in die dunkle schottische Nacht.

 

Sonntag, 08.06.2003
Hätte ich die anderen mal nicht alleine gelassen! Zum Treffen am Bahnhof um 11 kommen sie mit genau 2 Stunden Verspätung! Zuerst testen wir die örtlichen Fish & Chips, danach gibt es eine Lagebesprechung im Pub, wo wir beschließen, am Nachmittag das American Football-Spiel Scottish Claymores – Amsterdam Admirals im Hampden Park zu besuchen. (Ziemliche Scheiß-Sportart trotz sehr süßer Cheerleaders)

Abends gibt es dann, wie überraschend, einen Pub-Besuch mit Live-Musik und den negativen Höhepunkt der Fahrt: die Auslosung, wer von uns 6 in Glasgow bleiben muss, da wir nur 5 Plätze im Flieger zu den Färöern haben. Nach dramatischem Verlauf verliere ich, lerne aber kurz darauf den Fanbeauftragten von Alemania Aachen kennen, der nach Dublin weiterfliegt, um sich Irland – Georgien (U21- und A-Länderspiel) anzusehen – ich bin natürlich dabei!

Da Patte also wieder ein neues Ziel vor Augen hat, bleibt die Stimmung bei guter Musik super. Irgendwann komme ich dann auf die Idee, einen Sambuca trinken zu müssen. Die Kellnerin erklärt zwar, nur Ouzo zu haben, doch das ist mir in diesem Moment auch egal. Allerdings entpuppt sich das Getränk nicht als Ouzo, sondern als irgendein 55-Prozentiges Gesöff, das in Zahnputzpechern ausgeschenkt wird. Nachdem die Sperrstunde erreicht ist, zieht es uns wieder in unser Hotel, wo an der Hotelbar sogar richtiger Sambuca (allerdings lauwarm) ausgeschenkt wird und mit einigen Leipzig-Fans noch über Gott und die Welt diskutiert wird. Als gegen 4.15 Uhr der israelische Geheimdienst für den Tod von Jürgen W. Möllemann verantwortlich gemacht wird, ziehe ich es vor, ins Bett zu gehen.

 

Montag, 09.06.2003
Da mein B&B für die nächste Nacht ausgebucht ist, ziehe ich morgens ins Hotel der anderen 5 um, wo in einem Zimmer noch etwas Platz auf dem Fußboden ist und die ich bei meiner Ankunft um 11 Uhr natürlich erst mal wecken muss. Danach steht der Besuch des Celtic Parks mit Führung auf dem Programm (mit dem größten Pfau der Welt als Führer). Als wir dann zum Ibrox-Park weiterfahren, kommt 20 Sekunden nach uns der deutsche Mannschaftsbus zum Abschlusstraining an, so dass wir problemlos einige Fotos (z.B. mit Völler, Ballack etc.) machen können. Da wir die einzigen Fans dort sind, haben wir nach Trainingsende sogar noch Gelegenheit zu einigen Gespräche mit dt. Spielern (Rost und Rau: sehr sympathisch; Kahn und Kehl: an Arroganz nicht zu überbieten) und Offiziellen („Wenn ihr für das Färöer-Spiel keine Karten mehr bekommt, dann meldet euch mal bei uns im Hotel – vielleicht haben wir noch welche übrig“)! Abends will ich im Internet-Cafe dann noch einen Flug nach Dublin buchen, aber die sind alle eindeutig zu teuer – Scheiße! Dann muss ich wohl in Glasgow bleiben…

 

Dienstag, 10.06.2003
Morgens ist der Abflug auf die Färöer. Ich fahre mit zum Flughafen in der Hoffnung, dass von den 84 Leuten einer verpennt – sind aber alle da. Mit der Frau am Schalter lässt sich auch nicht diskutieren: Der Flieger ist voll, keiner kommt mehr rein! Plötzlich sagt ihr Kollege, dass der Flieger nicht 84, sondern 91 Plätze hat, d.h. 7 Plätze sind noch frei -Schwein gehabt! Im Flieger stellt sich heraus, dass doch nur 84 Plätze da sind. Da ich aber schon eingecheckt habe, hätte das komplette Gepäck wieder herausgeholt werden müssen; der Pilot entscheidet sich für das geringere Übel, lässt mich an Bord und die kleinste Mitreisende im Cockpit mitfliegen.

Nach der Landung werden wir 85 mit 2 Bussen zur Jugendherberge nach Gjogv (59 Einwohner) gebracht; dort ist zwar nur Platz für 65 Leute, aber die restlichen 20 können im Dorfgemeinschaftshaus auf dem Fußboden schlafen. Unterwegs machen wir einen kleinen Zwischenstopp mitten auf der Straße, um einen armen PKW-Fahrer noch eben um 10 Kisten Bier zu erleichtern, die nachher gerecht verteilt werden: jeder erhält 3 Flaschen! Nach Ankunft in Gjogv gibt es eine Wanderung durch die traumhafte Landschaft und das übliche Besäufnis. Abends fahren wir mit den Bussen ins Nachbardorf (35 Minuten für 5 km), um dort in einem Hotel zu essen, da der Jugendherbergsvater mit 85 warmen Essen überfordert ist.

 

Mittwoch, 11.06.2003
Nach dem Frühstück geht es mit dem Bus zum Stadion, Vechte-Fohlen-Fahne aufhängen und Infos besorgen (Schwarzmarkt existiert nicht, aber es werden für 15 € Karten für eine rutschige Wiese oberhalb des Stadions verkauft, von wo aus man ca. 80% des Platzes sehen kann). Auf dem Nebenplatz dreht Skibbe seine täglichen 10 km; wir nutzen die Gelegenheit und fragen ihn, ob es im dt. Mannschaftshotel noch Karten gibt. Daraufhin bietet er Lars und mir an, uns nach seinem Laufprogramm mit zum Hotel zu nehmen, da er einen Chauffeur gestellt bekommen hat. Unterwegs versorgt er uns mit neuen Infos aus dem Team (Ballack verletzt) und dem Umfeld (neuer Trainer auf Schalke wird ein Deutscher). Im Hotel kann er dann sogar noch 10 Karten für uns und 4 andere dt. Fans auftreiben (natürlich für umsonst und Haupttribüne!!!). Nach einem kurzen, netten Gespräch stellt er uns sogar noch den Chauffeur für die Rückfahrt zum Stadion zur Verfügung (Zitat: „Der hat ja sonst sowieso nichts zu tun. Außerdem ist das sein Job.“) Nach einem kleinen Stadtbummel und dem Kauf diverser Fanartikel bereiten wir uns in einer Kneipe auf das Spiel vor. Dabei entdecken wir eine kostenlose Zeitung, die sogar unsere Ankunft am Flughafen dokumentiert hat – wir scheinen in den Augen der Einheimischen also wirklich etwas Besonderes zu sein!

Über das Spiel decke ich lieber den Mantel des Schweigens. Am interessantesten ist noch, einmal 5 Meter neben Calmund (der in der Realität noch dicker ist, als es im TV aussieht), MV und Bonhof zu sitzen und Radiointerviews zu geben, weil Lars mal wieder einen Kollegen vom NDR trifft.

In den VIP-Raum lässt man uns aber leider nicht rein (ist vielleicht auch besser so!). Zum Eklat kommt es schließlich nach dem Spiel beim Burger King, der pünktlich um 22 Uhr schließt. Während noch ca. 40 Leute drin sitzen, werden wir nicht mehr reingelassen. Der McDrive hat zwar noch geöffnet, aber trotz Autoformation und Motorengeräuschen verweigert man unsere Bestellung, so dass uns nichts anderes übrig bleibt, als einen echten Autofahrer zu bitten, uns etwas mitzubringen. Der ist zwar etwas verwirrt, aber freundlich genug, um uns unsere Bitte zu erfüllen! Es folgt das übliche Prozedere: Spielanalyse im Pub, Vernichtung des einen oder anderen Pitchers Bier und Rückfahrt nach Gjogv. 

Wie ausgerechnet Patte hier einen Hinweis auf die weiblichen Einheimischen vergessen kann, bleibt mir ein Rätsel. Auf jeden Fall konnte man sich sicher sein, dass immer wenn die Tür aufging, eine Mischung aus Anna Kurnikova und Tatjana aus der Eierschale die Kneipe betrat. Keine weiteren Anmerkungen.

 

Donnerstag, 12.06.03
Beim Einchecken gibt es noch eine Zitterpartie, da wieder nur 84 Plätze im Flieger sind, aber der Pilot gibt nach kurzer Diskussion grünes Licht, so dass wir alle gemeinsam die Schafsinseln Richtung Glasgow verlassen können. Dort lasse ich die anderen 5 alleine und fliege ohne Probleme über London nach Frankfurt zurück. Ca. 30 andere Gladbach-Fans haben dagegen in London noch etwas Stress, da sie nur 5 Minuten Zeit zum Einchecken nach MG haben, aber auch das schaffen sie irgendwie. Ich erreiche den Frankfurter Hauptbahnhof um 00:45 Uhr, wo mir prompt ein ehemaliger Kommilitone über den Weg läuft, der gerade in Frankfurt ein Praktikum macht . Anstatt die nächsten 5 Stunden auf einer Bahnhofsbank oder dem Boden zu schlafen, komme ich so noch in den Genuss einer bequemen Übernachtungsmöglichkeit. Tja, Glück und einen großen Bekanntenkreis braucht der Mensch!

Der Rest der Reisegruppe bleibt noch einen Tag in Glasgow und geht zunächst noch einmal shoppen. Abends zieht es Hardy, Melone, Henning und mich dann noch in einen Celtic Pub, um die letzten Pints zu genießen. Auf Drängen von Henning folgt dann noch der kurze Besuch in einem Tabel-Dance-Laden, der aber äußerst schwach ist. Die Leistungen der Damen reichen nicht einmal an die unserer Nationalspieler heran. Gegen 1.30 Uhr landen wir dann wieder im Hotel.

 

Freitag, 13.06.2003
Um 6 Uhr fährt mein Zug nach Halle, wo ich um 10 Uhr ankomme. Vom Bahnhof geht es direkt zur Uni, weil ich um 10:15 ein Seminar habe (und nur 10 Minuten zu spät komme…). Und von da aus direkt ins Bett… 

Dem Rest stehen zu diesem Zeitpunkt dagegen noch zwei Flüge und einige Pints in London Stansted (vier Stunden Aufenthalt) bevor. Es geht aber alles gut und gegen 21 Uhr ist auch für mich das Abenteuer Schottland-Färöer zu Ende. Bleibt zu hoffen, dass sich unsere Borussia dieses Jahr für den UI-Cup qualifiziert und wir einen Gegner von den Färöer zugelost bekommen…

 

Veröffentlicht in Besondere Ereignisse.

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